Ungarn. In: Jahrbuch der Europäischen Integration 2018

Ungarn. In: Jahrbuch der Europäischen Integration 2018. Hgg. v. Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels.

Im Vorfeld des Wahlkampfjahres 2018 wurde ein ausländischer Staatsbürger zur öffentlichkeitswirksamsten Figur in Ungarn: der US-amerikanische Finanzinvestor George Soros. Sein Leitbild einer liberalen „offenen Gesellschaft“ war der regierenden Fidesz-Partei ein Dorn im Auge. Zur Legitimation seiner Bekämpfung erfand sie eine große Verschwörungserzählung mit George Soros als vermeintlich zentralem Strippenzieher. Der ferne Förderer vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen in Osteuropa verfolge demnach einen heimlichen Plan zur Umvolkung Europas, bei dessen Umsetzung er sich der Europäischen Union („Brüssel“) als Erfüllungsgehilfin bediene. Diesem Plan zu entgegnen sei eine Frage von „Leben und Tod“. Der Fidesz hielt hierzu erneut eine Nationale Konsultation ab – ein Propagandainstrument, das bis Juni 2017 acht Milliarden Forint (ca. 25 Mio. Euro) Steuergelder verschlungen hatte. Im Anschluss wurde ein Anti-Soros-Gesetzespaket auf den Weg gebracht und nach den Wahlen, am 20. Juni 2018, verabschiedet.
Ein weiterer Blick des Beitrags fällt auf Netzwerke und Korruption im Land. Der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments hatte im September 2017 eine Fact-Finding-Mission nach Ungarn entsandt. Den Getreuen in Orbáns Umfeld sollen seit 2010 Umsätze in Höhe von 12 Mrd. Euro zugeflossen sein. Selbst die Notenbank scheint involviert. Die Delegation des Europäischen Parlaments konstatierte nach ihrem Besuch in Ungarn, dass das derzeitige Niveau an Korruption, fehlende Transparenz und Rechenschaft, unzulässige Ausgaben und überteuerte Projekte die Grundwerte der Europäischen Union verletzten. Sie empfahl der Kommission Maßnahmen nach Artikel 7 EUV.
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